Frage: Sind Präbiotika und Probiotika für die Sanierung einer erkrankten Darmflora und Heilung eines erkrankten Darms notwendig?
Kommentare: 2 mit Antworten
Antwort: Die Natur ist unser bester Arzt! Dies gilt auch für das Darm-Mikrobiom. So sind für einen gesunden Darm und eine gesunde Darmflora vor allem zwei natürliche Faktoren beziehungsweise Voraussetzungen notwendig:
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Darmflorafreundliche Ernährung: Eine natürliche, vollwertige laktovegetarische oder vegane Nahrung, die darmflorafreundlich zubereitet und kombiniert wird, ist die beste
Nahrung für das menschliche Darm-Mikrobiom, und zwar sowohl für die Dünndarm- als auch Dickdarmflora.
Es gibt kein Prä- und Probiotikum und keine isolierte natürliche oder synthetische Substanz, wie zum Beispiel natürlicher Milchzucker oder daraus hergestellte präbiotisch wirksame Tagatose, die die menschliche Darmflora besser stärken und aufbauen können, als vollwertige, darmflorafreundlich zubereitete und kombinierte pflanzliche Lebensmittel sowie naturbelassene, artgerecht erzeugte Milch und Milchprodukte, letztere vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern.
Dies konnte ich durch unzählige Untersuchungen meiner Patienten in mehr als 30 Berufsjahren und durch eigene Anwendungen zu hundert Prozent bestätigen.
Zu einem ähnlichen, wenn auch allgemeineren und weniger spezifischen Ergebnis ist ein Forscherteam aus den USA und der Slowakei in einer Meta-Studie über das Darm-Mikrobiom gekommen. In dieser Studie wurden 103 vorhandene Studien ausgewertet, die sich mit den Auswirkungen einer laktovegetarischen oder veganen Ernährung auf die Darmflora im Vergleich zur nicht-vegetarischen Ernährung beschäftigen. Diesbezüglich wurde festgestellt, dass bei einer laktovegetarischen und veganen Ernährung messbare Verbesserungen der Darmflora mit einem deutlichen Anstieg von gesundheitsfördernden Bakterien gegenüber einer nicht-vegetarischen Ernährung bestehen 1), Quellenangabe am Ende des Artikels.
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Gesunde Verdauungsleistung: Die zweite wichtige Voraussetzung für einen gesunden Darm ist eine gute Bildung der Verdauungssäfte des Magens (Magensäure, Pepsin etc.) und der
Bauchspeicheldrüse (eiweiß-, kohlenhydrat- und fettverdauende Enzyme etc.) und der Gallenbildung in der Leber. Denn die gesündeste Nahrung wird im Darm zu Gift und verschlechtert die
Darmfloraverhältnisse, wenn sie nicht richtig verdaut werden kann.
Zusätzlich sollte die Nahrung möglichst gut gekaut und eingespeichelt werden, einerseits, weil die Nährstoffe dann besser verwertet werden können, andererseits, weil die Verdauung der Nahrung dadurch erleichtert und verbessert wird und sich eine gut gekaute Nahrung positiv auf die Darmflora auswirkt.
Ein gesundes Darm-Mikrobiom bildet viele lebenswichtige Nährstoffe und stärkt das Immunsystem: Durch den Verzehr von besonders darmflorafreundlich zubereiteten und kombinierten
pflanzlichen Lebensmitteln bei veganen und laktovegetarischen Ernährungsweisen kann die menschliche Darmflora erfahrungsgemäß so gesund und leistungsstark werden, dass sie nicht nur Biotin und
Vitamin K2 im Dünn- und Dickdarm und größere Mengen an kurzkettigen Fettsäuren im Dickdarm, sondern auch andere B-Vitamine, wichtige Neurotransmitter (Botenstoffe) und viel vom
phytinsäurespaltenden Enzym Phytase bildet.
Darüber hinaus wird durch eine gesunde Darmflora das Wachstum und die Vermehrung von krankmachenden Keimen und Darmpilzen im Darm unterdrückt und das Immunsystem auf
mehrfache Weise gestärkt.
Möglichst gesunde Darmflora bei nicht-vegetarischer Ernährung: Auch wenn die besten Darmfloraverhältnisse beim Menschen mit besonderen veganen und laktovegetarischen Ernährungsweisen erreicht werden können, ist eine relativ gesunde Darmflora auch bei einer nicht-vegetarischen Ernährung möglich. Dafür sollten dann weitgehend naturbelassene, vollwertige Lebensmittel darmflorafreundlich zubereitet und kombiniert werden.
Gesundheitliche Bedeutung von Prä- und Probiotika: Grundsätzlich werden die Darmfloraverhältnisse im Wesentlichen durch die verzehrte Nahrung bestimmt und nicht durch zusätzliche
pflanzliche Faserstoffe (Präbiotika) und Präparate mit Darmbakterien (Probiotika). Diesbezüglich ist der Faserstoffgehalt von pflanzlichen Lebensmitteln bei vollwertigen Ernährungsweisen mit
einem hohen Anteil pflanzlicher Nahrung für eine gesunde Darmflora in der Regel vollkommen ausreichend und muss nicht durch faserstoffreiche Präbiotika ergänzt werden.
Therapeutisch betrachtet stellt die Einnahme von Prä- und Probiotika auch nur einen täglichen Tropfen auf den heißen Stein dar, zumal alle Probiotika nur wenige
Bakterienstämme von mehr als 2000 Bakterienarten und -unterarten des menschlichen Darm-Mikrobioms enthalten. Die Wirksamkeit derartiger Präparate ist daher nicht nur begrenzt, sondern auch
relativ kurz, auf keinen Fall länger als wenige Tage.
Sinnvolle Einnahme von Probiotika: Nichtsdestotrotz kann in bestimmten Fällen, insbesondere bei einer starken Reduktion oder Zerstörung einzelner oder mehrerer wichtiger
Darmbakterienstämme durch Darmerkrankungen, Medikamente oder toxische Substanzen eine zeitlich begrenzte Einnahme von entsprechenden Probiotika oder eine Stuhltransplantation sinnvoll sein.
Des Weiteren kann die regelmäßige Einnahme von Probiotika auch bei dauerhaft geschwächten oder erkrankten Darmverhältnissen hilfreich sein, zum Beispiel bei länger
andauernden Therapien mit Antibiotika oder Zytostatika, bei stärkeren Verdauungsstörungen des Magens oder der Bauchspeicheldrüse oder wenn eine darmflorafreundliche Ernährung aus gesundheitlichen
oder anderen Gründen nicht möglich ist.
Weitere Informationen zu diesem Thema siehe den Artikel „Die sieben Säulen einer gesunden Ernährung“.
Ausführlich beschrieben werden die Grundlagen und praktischen Ernährungsanwendungen für einen gesunden Darm und eine gesunde Darmflora bei allen Ernährungsformen im Buch "Die Grundregeln der Methusalem-Ernährung - für einen gesunden Darm und ein starkes Immunsystem".
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1 Webadresse zur Studie "The Effects of Vegetarian and Vegan Diets on Gut Microbiota - Die Effekte einer vegetarischen und veganen Ernährung auf das Darm-Mikrobiom":
https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fnut.2019.00047/full (Link öffnen: Webadresse markieren, auf rechte Maustaste drücken und im sich
öffnenden Fenster auf "Link in neuem Tab öffnen" klicken)
Antworten auf Kommentare
Frage 1 von David vom 18.02.2024:
Sehr geehrter Herr Müller-Burzler,
eine hohe Bakterienvielfalt im Darm ist ein wichtiger Schlüssel für die Erhaltung der Gesundheit. Viele gesundheitliche Probleme in der heutigen Zeit sind auf den Verlust von vielen Bakterienstämmen in unserem Darm zurückzuführen. Verstehe ich Ihren Artikel richtig, dass man weder mit Ihrer Methusalem-Ernährung noch mit irgendeiner anderen Ernährungsform, z. B. einer stark fermentiert basierten Ernährung, zerstörte Bakterienstämme wieder zur Neuansiedlung im Darm bringen kann?
Liebe Grüße
David
Antwort von Henning Müller-Burzler auf Frage 1 vom 18.02.2024:
Hallo David,
es ist vollkommen richtig, dass eine hohe Bakterienvielfalt beziehungsweise -diversität ein wichtiger Faktor (von mehreren) für ein gesundes Darm-Mikrobiom ist. Für einen gesunden Darm mit
gesunder Darmflora und ein gesundes Leben benötigen wir weit mehr als die wenigen, wenn auch wichtigen Bakterienstämme, die in den üblichen Probiotika derzeit enthalten sind.
Wenn mehrere wichtige Bakterienstämme durch starke Antibiotika, bakterienabtötende (bakterizide) Toxine oder andere Medikamente oder sehr kranke Darmverhältnisse vollkommen zerstört wurden,
können viele dieser Stämme nur durch eine neue Ansiedelung wieder Bestandteil der Darmflora werden.
Dafür gibt es unterschiedliche Methoden, unter anderem bestimmte Probiotika für ein paar wichtige Bakterienstämme, aber eben nicht für alle.
Bezüglich der Dickdarmflora ist diesbezüglich vor allem eine Stuhltransplantation mit dem Stuhl eines anderen Menschen mit gesunder Darmflora sehr wirksam und effektiv.
Bezüglich einer stark erkrankten Dünndarmflora mit vielen zerstörten Bakterienstämmen können mit den meisten oral aufzunehmenden Probiotika nur die
wichtigsten Bakterienstämme wieder aufgebaut werden. Für eine Neuansiedelung von zerstörten Bakterienstämmen, die nicht in den Probiotika enthalten sind, müsste dann ebenfalls die Bakterienflora
eines anderen gesunden Menschen in den Dünndarm des Erkrankten übertragen werden.
Ob eine sehr gesunde Ernährungsweise bei guter Verdauungsleistung des Magens und der Bauchspeicheldrüse und sehr gesunden, harmonischen Darmverhältnissen in der Lage ist, die Neubildung von
vollständig zerstörten Bakterienstämmen im Dünn- und Dickdarm zu stimulieren, ist mir derzeit nicht bekannt. Weil es in der wissenschaftlichen Forschung bezüglich des Darm-Mikrobioms zumeist um
wirtschaftlich lukrative Ergebnisse geht, unter anderem um diese für die Herstellung von Probiotika zu nutzen, werden derartige Fragestellungen auch weniger berücksichtigt.
Aber auch wenn die Neuentstehung von vollständig zerstörten Bakterienstämmen im Darm bei sehr gesundem Darmmilieu nicht möglich ist, wird man alle wichtigen Darmbakterien mit entsprechenden Methoden immer von Menschen mit gesunder Darmflora auf den Darm von Erkrankten übertragen können.
Unabhängig von der Situation von zerstörten wichtigen Bakterienstämmen ist eine gesunde, darmflorafreundliche Ernährungsweise auf jeden Fall der beste Schutzfaktor dafür, dass die
Darmflora immer so gesund und widerstandskräftig ist, dass es bei einem starken medikamentösen, toxischen oder anderen Angriff auf das Darm-Mikrobiom nicht zu einer vollständigen Zerstörung von
einzelnen oder mehreren Bakterienstämmen kommt.
Viele Grüße
Henning Müller-Burzler
Frage 2 von David vom 26.02.2024:
Sehr geehrter Herr Müller-Burzler,
vielen Dank für Ihre Antwort.
Dann ist die Stuhltransplantation die derzeit einzige Methode, um Bakterien wieder zur Neuansiedlung im Darm zu bringen? Es gibt viele Kliniken, die eine Stuhltransplantation anbieten, aber
Voraussetzung ist eine Clostridien-Infektion. Bei jeder anderen Darmproblematik wird man abgewiesen. Kennen Sie Möglichkeiten, wo eine Stuhltransplantation zur grundsätzlichen Darmverbesserung
für jedermann durchgeführt wird?
Liebe Grüße
David
Antwort von Henning Müller-Burzler auf Frage 2 vom 26.02.2024:
Hallo David,
solange noch alle physiologischen und lebenswichtigen Bakterienstämme Bestandteil der Darmflora sind, macht eine Stuhltransplantation keinen Sinn. Denn mit einer gesunden, darmflorafreundlichen
Ernährungsweise kann das Darmmilieu in relativ kurzer Zeit so gut harmonisiert werden, dass sich die guten Darmbakterien stark vermehren und ausbreiten und die weniger guten beziehungsweise
krankmachenden Stämme verdrängen und überwinden.
Eine Stuhltransplantation ist, wie gesagt, nur dann sinnvoll und nützlich, wenn tatsächlich mehrere wichtige Bakterienstämme vollkommen abgestorben und verschwunden sind.
Eine solche Situation ist derzeit aber eher selten, weshalb im Normalfall nur für ein gesundes Darmmilieu gesorgt werden muss, um eine gesunde Darmflora zu erhalten.
Auch bei einer Clostridieninfektion muss im Grunde keine Stuhltransplantation gemacht werden, wenn grundsätzlich noch alle natürlichen Bakterienstämme Bestandteil der Darmflora sind. Denn bei allen erfolgreichen Darmflorasanierungen und Therapien von Darminfektionen geht es immer um die Schaffung eines gesunden Darmmilieus und nicht um die Substitution von Darmbakterien, wodurch sich gesunde Darmbakterien dann stark vermehren und ausbreiten und krankmachende Bakterien, wie Clostridien oder Salmonellen überwinden. Auf natürliche Weise ist dies ausschließlich mit einer gesunden, darmflorafreundlichen Ernährung in Verbindung mit einer möglichst guten Verdauungsleistung des Magens und der Bauchspeicheldrüse möglich.
Zur grundsätzlichen Darmverbesserung ist eine Stuhltransplantation somit im Normalfall nicht notwendig, zumal eine solche Therapie auch nur dann sinnvoll und von nachhaltiger Wirkung ist, wenn
die Hauptkrankheitsursachen für den Darm und die Darmflora beseitigt werden.
Ganz davon abgesehen sind Stuhltransplantationen auch mit zunehmenden Risiken verbunden, weil immer mehr Menschen kranke Darmverhältnisse haben. Denn je nach implantierter Stuhlqualität können damit auch Krankheitskeime und multiresistente, krankmachende Organismen auf den Empfänger übertragen werden. Eine solche Therapie sollte also gut überlegt sein und man sollte den Spender des Stuhls wählen können.
Eine gesunde, darmflorafreundliche Ernährungsweise ist somit der gesündeste und beste Weg, um eine gesunde Darmflora zu haben.
Viele Grüße
Henning Müller-Burzler
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David (Sonntag, 18 Februar 2024)
Sehr geehrter Herr Müller-Burzler,
eine hohe Bakterienvielfalt im Darm ist ein wichtiger Schlüssel für die Erhaltung der Gesundheit. Viele gesundheitliche Probleme in der heutigen Zeit sind auf den Verlust von vielen Bakterienstämmen in unserem Darm zurückzuführen. Verstehe ich Ihren Artikel richtig, dass man weder mit Ihrer Methusalem-Ernährung noch mit irgendeiner anderen Ernährungsform, z. B. einer stark fermentiert basierten Ernährung, zerstörte Bakterienstämme wieder zur Neuansiedlung im Darm bringen kann?
Liebe Grüße
David
David (Montag, 26 Februar 2024 07:14)
Sehr geehrter Herr Müller-Burzler,
vielen Dank für Ihre Antwort.
Dann ist die Stuhltransplantation die derzeit einzige Methode um Baterien wieder zur Neuansiedlung im Darm zu bringen? Es gibt viele Kliniken, die eine Stuhltransplantation anbieten, aber Voraussetzung ist eine Clostridien-Infektion. Bei jeder anderen Darmproblematik wird man abgewiesen. Kennen Sie Möglichkeiten, wo eine Stuhltransplantation zur grundsätzlichen Darmverbesserung für jedermann durchgeführt wird?
Liebe Grüße
David